Warum sie mehr ist als Selbstfürsorge
Liebe Leserinnen und Leser,
individuelle Resilienz ist in den letzten Jahren aus der Nische herausgetreten und zu einem festen Bestandteil moderner Führungs- und Organisationsentwicklung geworden. Der Begriff taucht in Studien, Seminaren, Gesundheitsprogrammen und Strategiepapieren auf, meist verbunden mit der Frage:
Wie können Menschen inmitten von Unsicherheit, Komplexität und Druck leistungsfähig und gesund bleiben?
Die gängige Antwort: Durch gute Selbstfürsorge, also durch Maßnahmen wie Achtsamkeit, Bewegung, gesunden Schlaf, bewusste Ernährung oder mentale Techniken zur Stressreduktion.
In der Praxis beobachten wir jedoch häufig, dass Resilienz vor allem als Methodenkoffer gegen Überforderung verstanden wird. Dabei geht es um etwas Tieferes: Resilienz ist eine Haltung zum Leben und zur Arbeit, sie zeigt sich in der Art, wie wir auf Herausforderungen reagieren und wie wir mit uns selbst in Beziehung stehen.
Stabilität beginnt im Körper
Resilienz ist nicht nur Kopfsache. Sie beginnt im Körper. Wenn wir müde, ausgelaugt oder unterversorgt sind, fällt es uns deutlich schwerer, gelassen zu bleiben oder klar zu denken. Deshalb gehören bei KellerPartner in Resilienz-Trainings ganz selbstverständlich auch Elemente wie bewusste Pausen, gesunder Schlaf, Cold Exposure, Bewegung oder nährstoffreiche Ernährung dazu. Nicht als Selbstoptimierung, sondern als Grundlage für Klarheit und Präsenz. Es macht einen Unterschied, ob jemand in sich ruht oder nur durchhält.
Diese körperlichen Ressourcen wirken wie ein Fundament. Sie stärken unser Nervensystem, verbessern die Fähigkeit zur Selbstregulation und schaffen Raum für Reflexion. Wer gelernt hat, mit Kälte umzugehen, kennt den Unterschied zwischen Impuls und Entscheidung. Wer bewusst atmet oder regelmäßig zur Ruhe kommt, bemerkt feiner, wenn das innere Gleichgewicht kippt. Und wer sich gut ernährt und ausreichend schläft, bleibt auch dann leistungsfähig, wenn das Außen Druck macht.
Aber: Körperliche Maßnahmen allein reichen nicht aus. Resilienz entsteht, wenn diese Routinen mit einer bewussten inneren Haltung verbunden sind. Wenn ich weiß, warum ich mir Gutes tue. Wenn ich in Kontakt mit meinen Bedürfnissen bleibe und gleichzeitig handlungsfähig in meinem Alltag bin. Genau hier liegt das Entwicklungspotenzial: Resilienz ist kein Rückzug ins Private, sondern eine Kraftquelle für berufliche Wirksamkeit.
Selbstführung als Führungskompetenz
Viele Führungskräfte erleben sich in einem Spannungsfeld. Auf der einen Seite sollen sie stabilisieren, Orientierung geben und für Klarheit sorgen. Auf der anderen Seite stehen sie selbst unter Druck, jonglieren mit widersprüchlichen Anforderungen und tragen Verantwortung für Teams, Zahlen und Strategien. Wer in solchen Situationen nicht gut mit sich selbst verbunden ist, reagiert oft automatisch mit Kontrolle, Rückzug oder Überkompensation.
Selbstführung bedeutet in diesem Kontext mehr als gutes Zeitmanagement. Es heißt, die eigenen Muster zu kennen. Früh zu merken, wann eine Grenze erreicht ist. Und sich Werkzeuge und Haltungen zu erarbeiten, um handlungsfähig zu bleiben. Das kann bedeuten, sich ganz bewusst Zeit zum Durchatmen zu nehmen oder das Gespräch zu suchen, wenn etwas unklar ist. Es heißt auch, sich Pausen zu erlauben, ohne schlechtes Gewissen. Und: eine Sprache für das zu entwickeln, was einen bewegt.
Diese Art der Selbstführung wirkt nach außen. Führungskräfte, die mit sich selbst in gutem Kontakt sind, führen auch andere klarer. Sie schaffen nicht nur Struktur, sondern auch Vertrauen. Sie kommunizieren reflektierter, bleiben in Konflikten souveräner und werden zu einem Ruhepol inmitten von Bewegung. Gerade in Phasen von Veränderung, Restrukturierung oder Unsicherheit kann das den entscheidenden Unterschied machen.
Resilienz als Teil der Unternehmenskultur
Resilienz ist nicht nur individuelle Privatsache. Sie entfaltet ihre Kraft erst dann voll, wenn sie Teil der Unternehmenskultur wird, wenn auf Basis individueller Bedürfnisse Verhandlungen über das Verhalten aller Beteiligten im Team in der Organisation geführt werden. Wenn also nicht nur Einzelne auf sich achten, sondern Teams lernen, gemeinsam Spannungen zu tragen. Wenn Fehler nicht tabuisiert, sondern als Lernmomente verstanden werden. Und wenn Führung nicht nur über Kontrolle funktioniert, sondern über Beziehung, Vertrauen und Klarheit.
In unseren Projekten erleben wir immer wieder: Organisationen, die individuelle Resilienz fördern, profitieren auf vielen Ebenen. Sie entwickeln mehr Innovationskraft, weil Menschen sich trauen, neue Wege zu gehen. Sie gewinnen an Qualität in der Zusammenarbeit, weil der Umgang mit Konflikten reifer wird. Und sie bleiben auch unter Druck anpassungsfähig, weil Führungskräfte bei sich und bei den anderen präsent bleiben.
Das beginnt oft mit kleinen Schritten: Einer anderen Art, Meetings zu starten, einer bewusst gesetzten Pause im Tagesablauf, einem Training, in dem nicht nur über Resilienz gesprochen wird, sondern sie körperlich und emotional erfahrbar wird. Oder mit Formaten, die Menschen darin stärken, sich ihrer eigenen Ressourcen bewusster zu werden und daraus neues Verhalten zu entwickeln. In der letzten Woche erst meldete eine Führungsmannschaft eines Ressorts einer großen genossenschaftlichen Organisation verblüfft zurück: Meditation – das funktioniert ja!
Resilienz ist Beziehungskompetenz
Resilienz zeigt sich heute nicht im bloßen Aushalten. Entscheidend ist die Fähigkeit, flexibel zu bleiben, präsent zu sein und mit sich selbst in gutem Kontakt zu stehen, auch dann, wenn es unübersichtlich wird. Es geht nicht um Selbstoptimierung, sondern um innere Ausrichtung und Beziehung.
Individuelle Resilienz ist der Ausgangspunkt für stabile Führung, gesunde Teams und zukunftsfähige Organisationen. Sie wächst dort, wo Menschen sich erlauben, bei sich selbst anzufangen. Wo sie Körper und Geist gleichermaßen ernst nehmen. Und wo sie erkennen, dass Fürsorge – für sich selbst und für andere – kein Luxus ist, sondern Führungsaufgabe.
Und was heißt das ganz konkret?
Resilienz entwickelt sich nicht über Nacht, sie beginnt im Alltag. Vielleicht starten Sie morgen mit einer zehnminütigen Pause ohne Social Media. Vielleicht entscheiden Sie sich bewusst für ein Gespräch, das Sie bisher aufgeschoben haben. Oder Sie nehmen sich vor, eine Woche lang auf Ihre Schlafqualität zu achten und zu beobachten, wie sich das auf Ihre Präsenz im Job auswirkt.
Wirkliche Veränderung entsteht dort, wo innere Haltung auf gelebte Praxis trifft und, um die Bildung von günstigen Gewohnheiten zu ermöglichen, auch mit einer gewissen Disziplin eine Zeit lang durchgehalten wird. Wer regelmäßig reflektiert, worauf er Einfluss hat und was gerade guttut, kann dementsprechend handeln und stärkt seine Selbstführung Schritt für Schritt. Nicht aus Pflichtgefühl, sondern aus der Überzeugung heraus, dass Führung bei einem selbst beginnt.
Ihr Alexander Noß
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In der Dezember-Ausgabe des Magazins BankInformation habe ich gemeinsam mit Kathrin Droste von der Volksbank Mittweida eG beschrieben, wie sich individuelle, teambezogene und organisationale Resilienz aufeinander beziehen. Dieser Beitrag vertieft den Blick auf die persönliche Ebene, denn genau hier beginnt jede Form von Wirksamkeit. Wer sich selbst führen kann, kann andere besser begleiten. Und wer auch in schwierigen Momenten stabil bleibt, wird für andere zur Orientierung. |
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