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Prof. Dr. Daniel Keller30.9.2020

High Responsibility Teams

Was wir von ihnen lernen können

 

Liebe Leserinnen und Leser,

wir möchten Sie dazu einladen, sich doch einmal an den Anfang des Jahres 2020 zurückzuerinnern, als ein unbekanntes Virus anfing, sich weltweit auszubreiten. Tagtäglich wurden wir von neuen Nachrichten über dessen rasante Verbreitung begleitet und mit vorläufigen Büroschließungen und allmählichen Hamsterkäufen von beunruhigten Bürgern¹ konfrontiert. Wie erging es Ihnen und Ihren Mitarbeitern? Wie gut waren Sie darauf vorbereitet? Was war die größte Belastung für Sie?

Die Corona-Pandemie hat den meisten Menschen in den vergangenen Monaten einiges abverlangt. Vielleicht waren Sie und Ihre Mitarbeiter mehr mit der deutlich höheren Arbeitsbelastung konfrontiert (z.B. im Gesundheitswesen, in der Logistik) oder aber umgekehrt mit einem drohenden Jobverlust und großer Unsicherheit (z.B. im Eventmanagement, in der Gastronomie).

Gänzlich gewappnet kann man dem Unerwarteten gegenüber selbstverständlich nicht sein. Es gibt allerdings eine bestimmte Art von Teams, deren Arbeitsalltag schon immer darin bestand, Extremsituationen zu managen oder gar Katastrophen abzuwenden: Sogenannte High Responsibility Teams (HRT) oder gleich ganze High Reliability Organizations (HRO), welche sich z.B. in Krankenhäusern, bei der Polizei oder Luftfahrtunternehmen finden lassen.

Wie ihr Name schon andeutet, tragen HRTs eine enorme Verantwortung für ihre Handlungen und die Leben anderer, da jeder Fehler, jede Störung drastische, oftmals irreversible Konsequenzen hat (Hagemann, Kluge & Ritzmann, 2011)


Einfach nach acht Stunden Feierabend machen wie im klassischen 9-to-5-Job? Fehlanzeige. Im Einsatz einmal 70 statt 100% geben? Undenkbar. Daher müssen HRTs sehr gut organisiert sein und auf einem „extrem hohen Zuverlässigkeitslevel operieren“ (Hagemann et al., 2011). Damit rücken sie auch ins Blickfeld von Nicht-HROs, welche versuchen, sich an HRTs und ihrer extrem wirksamen Arbeitsweise zu orientieren (Gebauer & Kiel-Dixon, 2009).

Auch unserer Meinung nach können sich Unternehmen in schnelllebigen Wirtschaftsfeldern von ihrer Arbeitsweise und Haltung inspirieren lassen. HRTs sind geradezu Vorreiter in Sachen Anpassungsfähigkeit und Agilität, was auch für Nicht-HROs immer wichtiger wird: Schnelle Reaktionen auf Dringendes, Unvorhersehbares werden auch im Kontext schneller Marktänderungen gefordert. Insbesondere in der aktuellen Situation herrscht eine noch größere Unvorhersehbarkeit als sonst. Dies erfordert die Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen und auch alte Lösungswege aktiv zu verlernen. Diese mutige innere Einstellung dem Wandel gegenüber hat große Ähnlichkeit mit dem Mindset aus dem agilen Ansatz, welcher von immer mehr Unternehmen implementiert wird.

Was zeichnet die Arbeit von HRTs noch aus? Nach Weick & Sutcliffe (2003) sind es vor allem fünf sogenannte „Metapraktiken“ (Gebauer, 2010). Gleichen Sie doch mal ab, welche davon auf Ihre Organisation zutreffen: Wo sind Sie bereits gut aufgestellt? Wo sehen Sie Entwicklungsspielraum?

1. Eine genaue Fehleranalyse und Suche nach Abweichungen vom Erwarteten

2. Die Vermeidung von Automatismen bekannter und „einfacher“ Lösungen

3. Eine gute Eingebundenheit der Führungskraft in die Abläufe, Kommunikation darüber im Team

4. Hohe Expertise, die im Risikofall eine höhere Priorität haben sollte als die bestehende Hierarchie

5. Eine gute Resilienz jedes Mitarbeiters sowie des Teams als Ganzes.

Insbesondere der Aspekt der Resilienz ist aktuell wertvoller denn je. Resilienz kann verstanden werden als „psychische Widerstandskraft“ (Fröhlich-Gildhoff & Rönnau-Böse, 2019), mit der man schwierige (Lebens)situationen meistern und im besten Fall sogar gestärkt aus einer Krise hervorgehen kann. Auch auf organisationaler Ebene kann von Resilienz gesprochen werden, wenn dort etwa mit komplexen Veränderungen achtsam und wirksam umgegangen wird (Rolf, 2018).

Um die Stärken von HROs auch in Ihrer Organisation sichtbar zu machen, sind möglicherweise einige Umstrukturierungen notwendig. Diese sind zunächst wenig beliebt, weil sie Zeit und Ressourcen kosten. Aber: Wer nicht adäquat auf potenzielle Krisen reagieren kann, muss vielleicht noch mehr Ressourcen in eine größere Anpassung unter Druck investieren. Wichtig ist daher, in den organisationalen Strukturen frühzeitig Platz für Resilienz zu schaffen. Der kommunikative Austausch zwischen Abteilungen muss im Notfall leicht möglich sein.

An hierarchischen Strukturen, die im Normalzustand durchaus sinnvoll sind, sollte in der Krise nicht um ihrer selbst Willen festgehalten werden (Gebauer, 2010).


Was wir Ihnen an dieser Stelle mit auf den Weg geben wollen, sind ein paar Impulse, wie Sie sich und Ihre Mitarbeiter „krisensicherer“ machen können. In Anlehnung an Jackson & Watkin (2004) können Sie folgende Punkte beachten, die zu mehr Achtsamkeit im Umgang mit unseren Gedanken und Gefühlen anregen:

  • Unsere gegenwärtigen und unwillkürlichen Gedanken beeinflussen unsere Emotionen und unser Verhalten in Krisensituationen. Rekonstruieren Sie doch mal gemeinsam im Team solche Gedankenketten, um bewusster an künftige, ähnliche Situationen ranzugehen.

  • Wie bei einem Eisberg stecken hinter unseren Emotionen und Verhaltensweisen oftmals tiefgehende Glaubenssätze darüber, wie etwas funktioniert oder sein muss. Gehen Sie dem Eisberg auf den Grund! Wenn Sie wissen, dass eine bestimmte Überzeugung gar nicht aus der Situation herrührt, sondern ein Produkt der Beteiligten ist, können Sie diese leichter ausklammern und das Problem viel genauer erfassen.

  • Achten Sie auf Denkfallen. Eine klassische Denkfalle ist der Glaube, dass das Problem bekannt ist. Daraus folgend werden oft Lösungen angestrebt, die dem Problem nicht gerecht werden. Bleiben Sie im Denken agil!

  • Nehmen Sie einen Perspektivenwechsel vor. Oft neigen wir unter Stress dazu, Probleme zu katastrophisieren. Nehmen Sie eine neutrale Beobachterrolle ein, um einen realistischeren Blick auf das Problem zu bekommen.

  • Geben Sie Sich und Ihren Mitarbeitern Raum, bei drohender Überforderung mit der Situation erst einmal durchzuatmen, denn Stress engt das Denken ein (vgl. Rock 2008; Schiefer & Gattner, 2019). Indem Sie sich beruhigen, können Sie sich wieder leichter auf den wirklichen Kern des Problems fokussieren, anstatt den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr zu sehen.

  • Streben Sie sogenannte Echtzeitresilienz an: Die verschiedenen Resilienzfertigkeiten sind besonders dann gewinnbringend, wenn wir sie automatisiert haben. Dies gelingt durch die wiederholte erfolgreiche Anwendung, beispielsweise in Übungssituationen oder Teamtrainings.

Gerade in Zeiten, in denen der Wandel in destruktiver Weise daherkommt und (zwischen)menschliche Krisen, Teamdynamik und Interaktion großen Einfluss haben, steigt der Wert einer guten Risikomanagementstrategie. Vielleicht finden Sie Momente für kurze Verschnaufpausen, um sich auf die nächste Runde vorzubereiten. Als ersten Schritt können Sie schon daran arbeiten, die Resilienzfertigkeiten Ihres Teams zu fördern. Ein Modul zum Thema Resilienz wird demnächst auf unserer eLearning-Plattform verfügbar sein. Dort finden Sie weitere Anregungen, wie Sie die Strukturen auf individueller, teambasierter und organisationaler Ebene „krisenfest“ machen. Wenn Sie auf Ihrem Weg Unterstützung wünschen, steht Ihnen das Netzwerk von Keller Partner gerne zu Seite.

Wir wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg beim Navigieren durch Zeiten der Unsicherheit!
Michelle Hartl mit Prof. Dr. Daniel Keller für Keller Partner

 

Bildquelle: Foto von 8photo auf Freepik

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