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Prof. Dr. Daniel Keller28.6.2021

Modernes Recruiting

Kompetenzmodelle als Leitfaden für Personalentscheidungen 

 

Liebe Leserinnen und Leser,

mit Sicherheit standen auch Sie schon einmal vor der Aufgabe, Stellen in Ihrem Unternehmen neu zu besetzen. Sie sitzen am Schreibtisch, ein Stapel Bewerbungen vor sich liegend, mit dem Ziel, den am besten geeigneten Kandidaten für Ihr Unternehmen zu finden. Beim Durchblättern der Dossiers werden Sie mit unterschiedlichen Lebensläufen, Kompetenzen und Charakteristika konfrontiert. Dabei die richtige Entscheidung für Ihr Unternehmen zu treffen und qualifizierte Mitarbeiter zu finden, die zur Weiterentwicklung und damit zum Unternehmenserfolg beitragen, ist manchmal gar nicht so einfach.

Stellen Sie sich nun vor, Sie hätten einen Rahmen, der Ihnen nicht nur neue Einstellungen, sondern auch Leistungsbeurteilungen und Personalentwicklung erleichtert. Sogenannte Kompetenzmodelle können Ihnen das ermöglichen. Dieser Artikel verschafft Ihnen einen Überblick über die Bedeutung von Kompetenzmodellen, worauf Sie bei ihrer Erstellung achten müssen und wie Sie erfolgreich von ihnen profitieren können.

Wie der Name schon sagt, verlangt das Modell nach Kompetenzen. An dieser Stelle soll zunächst einmal geklärt werden, was sich hinter dem Begriff verbirgt. Blickle und Schaper (2014) teilen Kompetenz in vier Hauptkategorien ein. Sie bilden das Grundgerüst für das Kompetenzmodell:

1. Fachkompetenz: Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten, die in der Ausbildung oder im Studium erworben werden und die der Bewältigung bekannter beruflicher Problemsituationen dienen.

2. Methodenkompetenz: Flexible und situationsübergreifend einsetzbare Fähigkeiten, die aus Expertise und Intelligenz resultieren.

3. Sozialkompetenz: Kommunikative Fähigkeiten zur Realisierung von Zielen im sozialen Kontext.

4. Selbstkompetenz: Aspekte motivationaler und emotionaler Steuerung beruflichen Handelns.

Ein Kompetenzmodell ist schließlich ein Leitfaden, der die spezifischen Fähigkeiten, Kenntnisse und Anforderungen festlegt, die es braucht, um in einer Stelle erfolgreich zu sein und langfristig zum Erfolg des Unternehmens beitragen zu können. Es erfasst die im Unternehmen vorhandenen und benötigten Kompetenzen und dient daher nicht nur der Rekrutierung von neuen Mitarbeitern, sondern auch der Leistungsbeurteilung und der Personalentwicklung. Anhand der im Modell festgelegten Kompetenzen, können Sie Mitarbeiterleistungen konkret an Ihren Unternehmenszielen ausrichten und diese transparent und einheitlich bewerten. Es verschafft Ihnen eine gute Übersicht aller Fertigkeiten sowie Fähigkeiten im Unternehmen und hilft Ihnen so Defizite zu erkennen und effizient auszugleichen.  Es dient zudem den Mitarbeitern als Orientierung, welche Erwartungen an ihre Rolle gestellt werden, sodass Sie ihr Potenzial besser einschätzen und sich ggf. entsprechend weiterentwickeln können. Ein Kompetenzmodell stellt also eine wichtige Basis sowohl für die Mitarbeiterentwicklung als auch für die Personalentscheidungen dar und kann wesentlich zu Ihrem Unternehmenserfolg beitragen.

Im Folgenden möchten wir Ihnen deshalb einige Tipps und Methoden vorstellen, wie Sie Ihr individuelles, auf Ihr Unternehmen abgestimmtes Kompetenzmodell erstellen können:

  • Generalisiertes oder spezifisches Modell? Zunächst müssen Sie festlegen, ob Sie ein generalisiertes oder ein spezifisches Kompetenzmodell erstellen wollen. Wollen Sie ein Modell, welches auf das gesamte Unternehmen anwendbar ist und die wichtigsten, für alle Mitarbeiter erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zusammenfasst? Dann eignet es sich ein generalisiertes Modell zu nutzen. Oder wollen Sie ein Modell, welches detailliert die Fähigkeiten einzelner Positionen bestimmt? Dann entscheiden Sie sich für ein spezifisches Modell. Letzteres könnte z.B. für Leistungsbeurteilungen hilfreich sein.

  • Eine Anforderungsanalyse erstellen: Hier geht es darum Personenmerkmale zu identifizieren, die die Grundlage für die Personalplanung, -suche und -auswahl darstellen. Welche Vorbildung, welchen Werdegang, welche Verhaltensweisen, Fähigkeiten, Eigenschaften etc. kennzeichnen diejenigen Personen, die bisher in ihrer Tätigkeit erfolgreich waren? Die Summe dieser Merkmale bezeichnet man als Anforderungsanalyse. Für die Erstellung einer Anforderungsanalyse eignet sich eine Kombination von arbeitsplatzanalytischen, expertengeleiteten und eigenschaftsorientierten Verfahren. Idealerweise werden Interviews mit allen relevanten Stelleninhabern (je nach Unternehmensgröße eine Kompletterhebung) von einem erfahrenen Interviewer durchgeführt.

  • Ableitung von Schlüsselkompetenzen: Aus den geführten Interviews werden durch mindestens zwei verschiedene Auswerter die wesentlichen Kompetenzen abgeleitet und anschließend zur Konsensbildung besprochen. Es folgt die Aufnahme der am besten bewerteten Kompetenzen in das Kompetenzmodell.

  • Das Kompetenzmodell praktisch anwenden: Nach der Finalisierung des Modells können Sie dieses unternehmensübergreifend nutzen und zu einem festen Bestandteil in den Bereichen Recruiting, Management und Leistungsbeurteilung machen. Das Kompetenzmodell richtet sich nach der Unternehmensstrategie, sowie deren Leitbildern und Werten. Sobald sich Unternehmensziele ändern, sollten Sie auch Ihr Kompetenzmodell entsprechend anpassen. Nach drei bis fünf Jahren empfiehlt sich daher eine eventuelle Re-Evaluierung

Die theoretischen Grundlagen für die Erstellung eines eigenen Kompetenzmodells haben Sie nun. Da Ihr Modell auch in der Praxis Anwendung finden soll, möchten wir Ihnen noch einige wertvolle Tipps mit auf den Weg geben und Sie für mögliche Fehlerquellen sensibilisieren.

Wie der Anleitung zu entnehmen ist, sollen im dritten Schritt die wesentlichen Schlüsselkompetenzen formuliert werden. Stellen Sie sich vor, in Ihrer Liste stünde, die Person sollte belastbar, gewandt, flexibel, entscheidungsfreudig und problemsensitiv sein, ein gutes persönliches Auftreten haben und repräsentativ sein. Sie sollte zudem eine Reihe an Fähigkeiten aufweisen: Anpassungsfähigkeit, Kritikfähigkeit, Innovationsfähigkeit etc. Mit Sicherheit verbinden auch Sie mit diesen Umschreibungen bestimmte Assoziationen und konkrete menschliche Verhaltensweisen, Eigenschaften und Fähigkeiten. Doch was genau ist eigentlich mit problemsensitiv gemeint? Ist damit eine zeitlich stabile Eigenschaft gemeint oder doch eher eine Fähigkeit, im Sinne von Achtsamkeit oder Aufmerksamkeit? Wie man anhand dieses Beispiels feststellen kann, haben sehr viele Ausdrücke eine vage Bedeutung. Jede Person verbindet möglicherweise etwas anderes mit problemsensitivem Verhalten, ohne aber genau sagen zu können was gemeint ist. Andere Ausdrücke, wie z.B. Kritikfähigkeit, sind mehrdeutig. Ist mit Kritikfähigkeit gemeint, auch seine Vorgesetzten kritisieren zu können, also so etwas wie Zivilcourage? Oder steht es dafür, Kritik durch Andere annehmen und damit umgehen zu können? Manche Ausdrücke bergen auch potenzielle Widersprüche, wie z.B. Flexibilität und Zielstrebigkeit. So sollte sich die Flexibilität wohl nicht auf die Ziele beziehen…

Diese Beispiele verdeutlichen, dass es bei einer professionellen Anforderungsanalyse essentiell ist, alle Anforderungsmerkmale genau zu definieren und Wege aufzuzeigen, wie man das Vorliegen bzw. die Ausprägung eines bestimmten Merkmals bei einer Person objektiv und valide messen kann.

Besonders im Bereich Recruiting kann Ihr Modell von großem Nutzen sein. Schon bei der Sichtung der eingegangenen Bewerbungen profitieren Sie von einem enormen Zeitersparnis, indem nur diejenigen Bewerber mit den passenden Kompetenzen zum Gespräch eingeladen werden. Sie können die Bewerber anhand objektiver Kriterien bewerten und untereinander vergleichen. Dies gewährleistet nicht nur ein faires Auswahlverfahren den Bewerbern gegenüber, sondern erhöht auch die Chance, langfristig den richtigen Kandidaten für Ihr Unternehmen zu finden. Ein Kompetenzmodell ist die Basis für jede Stellenbeschreibung, jedes Assessment und jede Personalentscheidung und damit ein Zeichen von hoher Professionalität.

Jetzt sind Sie an der Reihe – haben wir Ihr Interesse an der Erstellung Ihres eigenen Kompetenzmodells geweckt? Die Erstellung braucht Zeit und eine gewisse Expertise. Sehen Sie unsere Tipps als nützliche Werkzeuge an. Gerne helfen und unterstützen wir Sie bei der Erstellung Ihres Kompetenzmodells. Besuchen Sie auch gerne unsere eAcademy. Hier finden Sie weitere Informationen zu verwandten Themen.

 

Wir bedanken uns für Ihr Interesse!
Rabea Seiler mit Prof. Dr. Daniel Keller für Keller Partner

 

Titelbild: Foto von Alex Green auf Pexels