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Theo Zichel31.10.2022

Aktives Zuhören

Geben Sie noch Anweisungen, oder hören Sie schon zu?

 

Liebe Leserinnen und Leser,

In diesem Blogbeitrag geht es um das Thema „Zuhören”.
Wir sind überzeugt davon, dass aktives Zuhören ein hochgradig relevantes Tool im „Management-Methodenkoffer” darstellt. Gutes Zuhören zu lernen und anzuwenden ist mindestens genauso wichtig für zeitgemäße Führungskompetenz wie das Wissen über verschiedene Managementmodelle oder finanzielle Planung.

 

Das aktive Zuhören entstammt ursprünglich der klientenzentrierten Psychotherapie und wurde von Carl Rogers erstmalig beschrieben. Aktives Zuhören legt besonderen Wert auf Begegnung im humanistischen Sinne und schließt dementsprechend die emotionale Ebene, nonverbale Äußerungen und ein prinzipielles Wohlwollen zwischen den Gesprächspartnern mit ein.

Prof. Lyman K. Steil zufolge hängt das Gelingen einer guten Kommunikation sogar zu 51 Prozent vom Zuhörer ab.


Zuhören ist dementsprechend nicht bloß ein passiver Akt
, denn die reine akustische Aufnahme der Botschaft des Senders reicht allein nicht aus. Gutes Zuhören sondiert vielmehr diese Botschaft und erfasst sie analytisch in ihrer jeweiligen inhaltlichen Bedeutung. Hierbei kann auch das 4-Seiten-Modell (Schulz von Thun) zur Anwendung kommen. Sie können sich fragen, wie der Sachverhalt zu verstehen ist, was das Gesagte über ihre Beziehung zum Sprechenden deutlich werden lässt, was der Sprecher durch das Gesagte über sich selbst offenbart und was er wohl aufgrund seiner Mitteilung von Ihnen erwartet. Es wird also deutlich, dass Zuhören und Sprechen gleichsam bedeutend sind. Leider findet nur das Zuhören oft deutlich weniger Beachtung und ist selten ein Bestandteil von Managementweiterbildung. Hingegen gibt es häufiger Rhetorik- und Selbstdarstellungstrainings noch und nöcher.

Aus unserer Erfahrung heraus wissen wir, dass viele Führungskräfte oft wenig Zeit im Alltag haben, sprich kein Ohr für Themen der Mitarbeitenden. Hinzu kommt noch die zum Teil fehlende Kompetenz im aktiven Zuhören. Gutes und regelmäßiges Zuhören ist jedoch ein Must-Have, das Ihre Zusammenarbeit im Team immens verbessern und steigern wird. Einige Probleme lassen sich sogar erst gut lösen, wenn vorher aktiv zugehört wurde.

Wir möchten das an einem Beispiel veranschaulichen:

Martin ist Geschäftsführer. Zwei Abteilungen in seinem Unternehmen machen neuerdings immer wieder Probleme. Die beiden Abteilungsleiter (Anna und Markus) geraten oft aneinander. Durch den dauerhaft und fortwährend aufkochenden Konflikt halten sie alle anderen im Unternehmen auf und verzögern die operative Arbeit. Das führt zu Beschwerden von Kunden und auch die Mitarbeitenden sind unzufrieden. Martin bangt um die Reputation seines Unternehmens.

Er muss sich diesem Problem nun dringlich annehmen. Ein gemeinsames Interventionsgespräch wurde vereinbart und Martin möchte eigentlich schnellstmöglich eine Lösung der Situation herbeiführen. Nun denkt er darüber nach, was er mit den beiden anfangen soll…

Er könnte beide zu einer Konfliktmoderation schicken, sie zu einer Weiterbildung in gewaltfreier Kommunikation anmelden oder sogar einen der beiden als letzte Konsequenz entlassen, wenn sich nichts ändert und die Rolle neu besetzen. Er kann das Gespräch jedoch auch nutzen, um erst mal einfach nur zuzuhören. Anna und Markus würden ihm dann vielleicht erzählen, dass sie so oft aneinandergeraten, weil ihre Abteilungen gegensätzliche Anreize verfolgen. Anna möchte als Leiterin der Forschungs- und Entwicklungsabteilung möglichst viel Innovation ermöglichen und Markus möchte als Leiter der Produktionsabteilung einen reibungslosen Produktionsprozess und Stabilität im Werk sicherstellen. Martin fällt dadurch auf, dass die individuellen und abteilungsspezifischen Zielvorgaben von Anna den von Markus sich widersprechen. Das ist einerseits auch sinnvoll, da sich Innovation und bestehende Produktion immer ambivalent zueinander verhalten, andererseits werden bei einer zu ausgeprägten Polarität Konflikte geschürt. Durch diese Erkenntnis können alle drei in einen konstruktiven Dialog eintreten und die Zielvereinbarungen und Anreizmodelle der beiden Abteilungen so anpassen und überarbeiten, dass Markus und Anna zukünftig stärker miteinander kooperieren, anstatt sich gegenseitig zu bekämpfen.

Es könnte im Gespräch auch immer noch herauskommen, dass es keine systembedingte Konfliktursache gibt und die beiden partout nicht miteinander können. Sollte dies der Fall sein, kann Martin immer noch auf seine eingangs erwähnten Interventionen zurückgreifen. Tut er das jedoch unmittelbar, würde er im schlimmsten Fall den Versuch starten, einen Konflikt, der durch Vorgaben auf Zielebene verursacht wurde, mit Interventionen auf persönlicher Ebene lösen zu wollen. Anna und Markus würden sich vermutlich bevormundet und unverstanden fühlen, weil die Spannung im System personifiziert wird. Die Bereitschaft, an einer Lösung zu arbeiten, würde weiter sinken. Alle drei Parteien würden Frustration empfinden, womöglich wäre die Kündigung von Anna oder Markus dann nach geraumer Zeit ohne Erfolge unumgänglich. Früher oder später würden sich auch mit der Nachbesetzung ähnliche Konflikte erneut einstellen, da nicht am System gearbeitet wurde.

Das Beispiel verdeutlicht, wie wichtig die Fähigkeit des aktiven Zuhörens im operativen Tagesgeschäft von Unternehmen ist.

Nach Rogers gibt es nun drei kennzeichnende Axiome, die für aktives Zuhören gelten:

  1. Eine empathische und offene Grundhaltung,
  2. Ein authentisches und kongruentes Auftreten,
  3. Die Akzeptanz und positive Beachtung der Gesprächspartner.

Ergänzend kann der Zuhörer darauf achten, seine volle Aufmerksamkeit auf das Gespräch zu lenken und dies auch durch die eigene Körperhaltung auszudrücken, mit der eigenen Meinung zurückzuhalten, bei Unklarheiten nachzufragen, Pausen im Gespräch auszuhalten, die eigenen Assoziationen, Gefühle und Gedanken zu beobachten und zu versuchen, die Gefühle des Gesprächspartners zu erkennen, Ausreden zu lassen, Blickkontakt zu halten und kurze bestätigende Signale zu geben.

Aktives Zuhören geht davon aus, dass die Mitarbeitenden die jeweiligen Experten für ihren Alltag und dementsprechend auch für ihre Probleme sind. Sie können somit oft auch die besten Lösungen für ihre Herausforderungen entwickeln oder zumindest sinnvolle Ideen einbringen. Gute Führung durch aktives Zuhören etabliert sich als Sparringspartner der Mitarbeitenden. Die Mitarbeitenden kommen durch das Zuhören in die eigene Verantwortung. Das Personal im Unternehmen wird somit durch aktives Zuhören auch in der Selbstwirksamkeit gefördert und für Zusammenarbeitsmodelle, die sich auf Selbstorganisation und Selbstmanagement ausrichten, vorbereitet. In diesen Modellen wird Entscheidungsmacht oft partizipativ geschultert. Die Führungskraft ist somit in Kontexten der Selbstorganisation weniger alleiniger Entscheider, sondern eher Entscheidungsbegleiter oder Mentor. Hilfreich sind dann auch regelmäßige Supervisionssitzungen, z.B. in Form von kollegialen Fallberatungen, welche von externen Coaches moderiert werden. Hier kann die Führungskraft als Teil des Teams auch teilnehmen. Das Machtgefälle ist bei einem gut durchdachten selbstorganisierten Team, welches Entscheidungsmacht konsequent partizipativ umsetzt, nicht mehr vorhanden und Führung wird schließlich eine von vielen Rollen im Team. Letztlich mit dem Ziel, die Selbstmanagementkompetenz in den Mitarbeitenden zu entwickeln und zu stärken. Solche Modelle der Zusammenarbeit sind sicherlich nicht für jeden Kontext optimal und für „klassische Teams” sollten Supervisionen primär mit dem Team stattfinden und die Führungskraft separat begleiten, da sonst Zensureffekte einsetzen. So viel soll an dieser Stelle erwähnt sein.

Es gilt jedoch…

 „…wenn ich vermeide, mich einzumischen, sorgen die Menschen für sich selbst. Wenn ich vermeide, Anweisungen zu geben, finden die Menschen selbst das rechte Verhalten. Wenn ich vermeide, sie zu beeinflussen, werden die Menschen sie selbst.“  

— Lao-Tse, chinesischer Philosoph

 

Wir vertreten die Haltung, dass eine zukunftsfähige und gute Führung die Mitarbeitenden entwickeln möchte. Das schließt auch ein, dass die Mitarbeitenden in die Lage kommen, Verantwortung mitzutragen. Solch eine Verantwortungsübernahme lässt sich sicherlich nicht innerhalb von einer kurzen Zeit bewerkstelligen. Mitarbeitende sowie Führungskräfte müssen sich in die neuen Rollen einleben.

In den letzten Jahren hat sich im Kontext von Zuhören und Coaching ein neuer Führungsstil entwickelt, der aktives Zuhören inkludiert. Der sogenannte coachende Führungsstil. Im Jahr 2016 wünschten sich sogar 46 Prozent der Arbeitnehmer einen coachenden Vorgesetzten. Dieser Führungsstil ist also recht beliebt in der Belegschaft. Die Führungskraft agiert, wie bereits dargestellt vermehrt als Mentor. Das erfordert mitunter deutlich mehr Geduld und Ruhe, als es direktive Führungskräfte gewöhnt sind.

  • Entspricht der coachende Führungsstil Ihnen oder würden Sie gerne durch eine Führungskraft mit diesem primären Führungsverständnis geführt werden?

  • Hören Sie Ihrem Team ausreichend zu? Oder meinen Sie die richtige Lösung oft schon vorab zu kennen?

  • Beteiligen Sie Ihr Team in der Lösungsfindung oder geben Sie Ihre Entscheidung hier vor und lassen diese lediglich durch das Team umsetzen?

  • Wie können Sie es schaffen öfter aktiv zuzuhören, mehr Pausen in Gesprächen zuzulassen und mit voller Aufmerksamkeit beim Gegenüber zu sein? Was würde sich dadurch in der Zusammenarbeit verändern?

Wir möchten Ihnen diesmal zum Abschluss den gemeinnützigen Verein „Momo hört zu e.V.” als Inspiration empfehlen. „Momo hört zu” bietet kostenfreie Zuhör-Räume im öffentlichen und digitalen Raum an. Im Juli 2021 starteten die ersten Zuhörangebote mit zwei Stühlen, einem Schild und einem Schirm im Englischen Garten in München. Seit März 2022 gibt es zudem eine Kooperation mit der TU München. Es soll ein mobiler Zuhör-Raum gebaut werden. Bei dem Zuhör-Angebot von „Momo hört zu“ geht es um bedingungsloses Zuhören, mehr echte Begegnung und gegenseitige Wertschätzung. Der Zuhörer hört nur zu, coached, berät und therapiert nicht.

Hier geht es zum Verein Momo hört zu e.V. 

Herzlichen Dank für Ihr Interesse am Thema!
Theo Zichel mit Prof. Dr. Daniel Keller für KellerPartner

 

Die KellerPartner eAcademy

Wir bei KellerPartner verstehen die Komplexität von Kommunikation und stehen Ihnen zur Verfügung, um Sie auf Ihrem Weg zu unterstützen. Entdecken Sie unsere e-Learning-Module zu wichtigen Grundlagen.

Modul Kommunikation verstehen
Modul Kommunikation gestalten
Modul Feedback als Führungswerkzeug
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Bildquelle: Foto von pressfoto auf Freepik

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